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Living Library, Kopenhagen

Lebende Bücher gegen Vorurteile

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Eine Bücherei besucht hat wahrscheinlich jeder von uns schon, zumindest sofern er gerne liest. Auch das Thema E-Books ist uns nicht mehr fremd, auch wenn die Mehrzahl der Lesebegeisterten in Deutschland das gedruckte Buch noch immer vorzieht. Aber wer von euch weiß, was ein lebendes Buch ist bzw. hat schonmal eines gelesen?

Tatsächlich kann man die lebenden Bücher aus Kopenhagen eigentlich nicht lesen, man muß sich mit ihnen unterhalten. Entstanden ist dieses Projekt, die Living Library, aus einer Initiative junger Dänen gegen Gewalt, nachdem einer ihrer Freunde in Kopenhagen Opfer einer Gewalttat wurde. Sieben Jahre nach Gründung der Organisation sollten sie sich im Jahr 2000 auf dem Roskilde-Festival präsentieren und engagieren, und zu dieser Gelegenheit wurde die Idee der lebenden Bibliothek geboren.

Ein lebendes Buch ist im Falle der Living Library ein Mensch aus einer Minderheit, aus einer bestimmten Szene, Volksgruppe o.ä., die üblicherweise mit Vorurteilen behaftet ist. Über das Projekt erhält man die seltene Gelegenheit sich mit eben jenen Personen zu unterhalten, sie wie ein Buch auszuleihen und in ihrer Lebensgeschichte per Gespräch zu lesen – um sich seinen eigenen Vorurteilen zu stellen und sie möglichst hinter sich lassen zu können. Das Buchprogramm reicht dabei von Alltäglichkeiten (Buchhalter, weiblicher Feuerwehrmann, Polizist) über die “üblichen” Randgruppen (Homosexuelle, Esoteriker, Ex-Gangmitglieder) bis hin zu Personen mit Extremerfahrungen (Krebskranke, Drogenkranke u.ä.).

Mittlerweile hat sich die Living Library zu einer reisenden Veranstaltung entwickelt, wobei nicht alle Events von der ürsprunglichen Organisation durchgeführt werden; das Projekt und die Idee wurde offen und kostenlos bereitgestellt für Jedermann, resultierend in Veranstaltungen an Universitäten, Schulen, sozialen Anstalten und auf Festivals auf der ganzen Welt. Im Jahre 2008 gab es Veranstaltungen in 27 Ländern, im Herbst und Winter 2009 konzentriert man sich vor allem auf die USA und Kanada, aber auch Veranstaltungen in Frankreich, England und Irland stehen noch an.

Im Grunde mutet das Konzept wie eine Talk-Show an, nur daß die Themen Lebensgeschichten von Menschen sind, die auch selbst zu Talkgästen werden, konfrontiert mit Besuchern der Veranstaltungen, welche gleichzeitig Talkgegenüber und Moderatoren stellen. So sie nicht zu schüchtern sind und bereit, sich ihre eigenen Vorurteile einzugestehen – nicht gerade eine Stärke der meisten Menschen…

Dummerweise werden die freiwilligen Besucher solcher Veranstaltungen zumeist den dort gebotenen Lerneffekt nicht mehr nötig haben, wen man aber dringend erreichen sollte, der wird sich höchst selten auf einem derartigen Event tummeln. Als Projekt an Schulen und Universitäten allerdings kann ich mir die Living Library sehr gut als sinnvoll vorstellen.

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